Kindergärtner: "Situation in Österreich ist erbärmlich"

Kindergaertner Situation oesterreich erbaermlich
Kindergaertner Situation oesterreich erbaermlich(c) BilderBox.com
  • Drucken

Männer schrecken vor der Arbeit mit kleinen Kindern zurück. Trotz vieler Kampagnen und des hohen Bedarfs. Das Image des Berufs ist noch immer zu weiblich und die Bezahlung zu schlecht.

Wien. An Alexander Hoba führt kein Weg vorbei. Zumindest nicht bei diesem Thema. Denn Hoba (36) gehört einer ganz, ganz seltenen Spezies an: Er ist nicht nur Kleinkindpädagoge, sondern leitet auch noch einen Kindergarten der Wiener Kinderfreunde im zweiten Bezirk. Der Beruf lag ihm sozusagen im Blut. „Schon meine Mutter leitete eine Kindertagesstätte in Deutschland, daher waren mir das Metier und der Umgang mit Kindern immer vertraut.“ Doch nicht einmal für Alexander Hoba war sein heutiger Traumberuf die erste Wahl. Zuerst lernte auch er einen „Männerberuf“: Er wurde Bäcker.

Alexander Hoba ist einer der wenigen Männer, die die Kurve in Richtung „Kindergärtner“ kratzen. Denn trotz hohen Bedarfs und zahlloser Kampagnen gilt der Beruf nach wie vor als unmännlich. Das Ergebnis ist laut dem Innsbrucker Erziehungswissenschaftler und Männerforscher Josef Christian Aigner deprimierend. „Die Situation in Österreich ist erbärmlich“, sagt er. „Der Anteil der Männer an ausgebildeten Kindergärtnern beträgt 0,6Prozent. Nimmt man alle Männer dazu, die irgendwie im Kindergarten tätig sind – von Gruppenhelfern bis zu Hausmeistern –, kommt man gerade mal auf 1,6Prozent.“ Wien liegt im Vergleich zu anderen Bundesländern noch relativ gut. In den städtischen Kindergärten sind von 7290 Mitarbeitern 141Männer (1,9%).

Entscheidung mit 14 zu früh

Die Gründe dafür sind relativ simpel. Die Betreuung von Kleinkindern und von Kindern im Vorschulalter gilt nach wie vor als zutiefst weibliche Domäne. Und Männer, die sich dorthin verirren, werden mitunter scheel beäugt. Diese Situation wird in Österreich noch dadurch verschärft, dass die Ausbildung zum Kindergärtner über Bildungsanstalten geführt wird, für die man sich im Alter von 14Jahren entscheiden muss. „Wenn ein Bursch zu uns zur Anmeldung kommt und einen Freund mitbringt, dann sitzt der recht oft süffisant lächelnd daneben“, erzählt Inge Dirnbacher, Leiterin der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik im Sacré Cœur in Pressbaum. „Und wenn man fünf Jahre lang schief angeschaut wird, muss man schon sehr stark sein, um diesen Weg zu gehen.“

Auch Aigner berichtet, dass im Zuge einer Studie Hauptschüler nach ihrer Einstellung zu Burschen befragt wurden, die den Beruf „Kindergärnter“ wählen. 27 Prozent der Befragten meinten, dass da wohl etwas mit der sexuellen Ausrichtung nicht stimmen könne. Das Abschreckungspotenzial dieser Einstellung sieht man in Dirnbachers Klassen: Von den 250 Schülern an ihrem Institut sind weniger als 20 Burschen.

Kumpel und Väterersatz

Diese antiquierte Einstellung der Gesellschaft steht in krassem Widerspruch zu dem hohen Bedarf an männlichen Bezugspersonen und zu der Tatsache, dass Kindergärtner sowohl bei Kindern wie auch bei Eltern (siehe unten) ein voller Erfolg sind. „Die Burschen kommen toll an“, sagt Dirnbacher. „Sie erscheinen einfach, und die Kinder schreien schon ,ah‘ und ,oh‘ Manchmal sind sie Kumpel, manchmal Ersatzväter.“

Das ist nicht verwunderlich. In immer mehr Haushalten fehlt der Vater ganz oder oft. Viele Kinder wachsen dadurch unter Frauen auf: Mutter, Großmutter, weibliche Verwandte, Kindergartenbetreuerin, Volksschullehrerin. Dass sich das vor allem auf Buben negativ auswirkt, dafür hat Josef Christian Aigner allerdings noch keinen harten Beleg gefunden. „Was wir aber sicher brauchen, sind Männer, die ein Gespür für Buben haben“, sagt er. „Und dann rate ich mal, dass sich damit das Aggressionspotenzial langfristig senken ließe.“ Dafür müssten aber mehrere Voraussetzungen erfüllt werden. Zum einen brauche es einen Wandel im öffentlichen Bewusstsein, wie entscheidend die Elementarpädagogik für die Entwicklung jedes Kindes sei.

(c) Die Presse / GK

Mehr Wettkampf und Abenteuer

Zum zweiten müsse man vom „weiblichen Image“ des Berufs wegkommen und „typisch männliche Spielweisen“ stärker forcieren: Wettkampf, Abenteuer, Outdoor-Betätigungen. Ganz wichtig sei auch die Änderung der Ausbildungssituation. Bereits mit 14Jahren eine solche Berufsentscheidung treffen zu müssen, sei einfach zu früh. „Es gibt immer mehr ältere Quereinsteiger, die den Beruf als sinnvolle Alternative entdecken und auch dabei bleiben. Das müsste man fördern“, so Aigner. Damit einhergehen sollte auch eine bessere Bezahlung. Denn von dem Gehalt eines Kindergärtners lässt sich keine Familie erhalten.

Alexander Hoba war zwar auch erst 22, als er von Bäcker auf Kindergärtner umsattelte. „Doch ich war damals schon so gefestigt, dass ich dumme Bemerkungen immer recht gelassen gesehen habe.“ Bereut hat er seine Entscheidung nie. „Jeder Tag ist eine neue Herausforderung. Und ich gehe jeden Tag wirklich gern zur Arbeit.“

Zur Person

Josef Christian Aigner ist Psychoanalytiker und Psychotherapeut sowie Leiter des Instituts für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung an der Universität Innsbruck. Aigner hat sich mit seiner Forschung zu den Themen „Männer“ und „Väter“ einen Namen gemacht. Er leitete auch die Studie „eleMENtar – Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern“. [Parigger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.