Mängel bei Lehrerfortbildung: Mehr Rechte für Direktoren?

Maengel Lehrerfortbildung Mehr Rechte
Maengel Lehrerfortbildung Mehr Rechte(c) Fabry
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Das persönliche Interesse des Lehrers steht bei der Weiterbildung derzeit meist im Vordergrund. Echte Schulstrategien fehlen aber. Experten plädieren für mehr Rechte für Direktoren.

Lehrer schwänzen Fortbildung im Sommer“, titelte die „Krone“ kürzlich in gewohnt polemischer Manier. Grund für die Aufregung sind Zahlen, die das Unterrichtsministerium jüngst veröffentlichte: Von den rund 115.000 Lehrern in Österreich besuchten nur 16.500 im Sommer die Fortbildungskurse, die die Pädagogischen Hochschulen (PH) anbieten. Gerade einmal jeder siebente Lehrer nutzte demnach die Ferienzeit, um sich weiterzubilden.

Zu wenige, konstatiert der Boulevard. Und wirft damit die Frage auf: Sind die österreichischen Pädagogen fortbildungsfaul? Die Lehrervertreter kontern seit jeher mit dem gleichen Argument: Das Angebot entspreche nicht dem Bedarf der Lehrer. Gäbe es mehr qualitativ hochwertige Kurse, würden diese auch gebucht werden. Eine Kritik, die Konrad Krainer, Leiter des Instituts für Unterrichts- und Schulentwicklung (Uni Klagenfurt), zum Teil bestätigt. Die Weiterbildung sei derzeit zu sehr angebotsorientiert, sagt er zur „Presse“.

Sprich: Die PH bieten Kurse an, die die Lehrer annehmen können. Oder eben nicht. Das sei nicht optimal, kritisiert Krainer: „Es gibt hervorragende Angebote, insgesamt müssen die Kurse aber viel mehr auf die Bedürfnisse der Lehrkräfte und der Schulen zugeschnitten sein.“ So brauche es etwa mehr schulinterne Fortbildungen – wo Lehrer selbst ihr Problem definieren und Unterstützung bekommen. Zudem seien die meisten Kurse einfach zu kurz: Einige Stunden oder ein Nachmittag sei nicht nachhaltig.

Das größere, weil grundsätzlichere Problem: Bei der Weiterbildung steht derzeit oft das persönliche Interesse des Lehrers im Vordergrund – und das muss sich nicht unbedingt damit decken, was die Schule benötigt. Dass diese Tatsache skurrile Blüten treiben kann, zeigt die Kritik, die Fritz Kast von der PH Burgenland im Vorjahr im Zuge der Lehrerstudie Talis formulierte: „Fortbildungsresistente Lehrer“ würden sich in „Alibiaktionen“ etwa zum Wein- oder Käsesommelier ausbilden lassen – ohne diese Kenntnisse für den Unterricht zu benötigen.

Direktoren ohne Überblick

Tatsächlich haben Direktoren derzeit kaum Möglichkeiten mitzuentscheiden, in welchem Bereich sich ihre Pädagogen fortbilden. Die Lehrer suchen sich ihre Kurse selbst aus. Der Schulleiter kann den Antrag genehmigen – oder nicht. Und damit endet seine Mitsprache. Eine Schulleiterbefragung, die der Rechnungshof vor vier Jahren durchführte, ist ernüchternd: So genehmigten die Direktoren zwar die Teilnahme der Lehrer an Fortbildungen, sie hatten aber keine Übersicht über die besuchten Veranstaltungen und die dabei erworbenen Kompetenzen. Weder der Schulleiter noch die Schulaufsicht steuerten die Fortbildung ihrer Lehrer im Sinne einer gezielten Personalentwicklung.

Genau das aber fordert Krainer: Aus seiner Sicht braucht es an jeder Schule ein Leitbild, in das die Fortbildung der Lehrer eingepasst wird. Schulen sollten strategisch überlegen: Was ist angemessen, um unsere Stärken zu stärken und die Schwächen abzuschwächen?

Die Schuld daran, dass das derzeit nur selten passiert, will Krainer aber nicht den einzelnen Schulen oder Lehrern zuschieben. Er sieht auch strukturelle Defizite: Denn die Qualität von Schule hänge eben auch vom Gestaltungsspielraum ab. Er plädiert für mehr Schulautonomie. Denn: „Könnten sich Schulen als autonome Einheiten fühlen, würden sich die Schulleiter viel stärker in die Pflicht genommen fühlen, als Organisation zu denken“, sagt Krainer. Er ist überzeugt, dass mit mehr Autonomie auch die Nachfrage nach Fortbildung steigen würde: „Weil die Schulen dann vor der Herausforderung stehen: Wir sind autonom, wir sind verantwortlich für gute Leistungen und haben Möglichkeiten, Maßnahmen zur Verbesserung zu setzen.“ Eine davon eben gezielte Fortbildung.

Kurt Schmid vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft in Wien schlägt vor, die Weiterbildungsaktivitäten der Lehrer differenziert zu betrachten – um auch dadurch stärker zu steuern, was gewählt wird. Fortbildung, die im Sinne der Schule ist, könnte während der Unterrichtszeit gewährt werden. Kurse, die auf individuellem Interesse beruhen, in der Freizeit.

Die Frage, wie viel und wann sich Lehrer fortbilden, sieht er aber als Teil einer breiteren Debatte: Was ist das Aufgabenportfolio des Lehrers, wie sind Anwesenheit und Entlohnung gestaltet? „Es braucht eine Neudefinition dessen, was der Kernbereich des Lehrerberufs ist“, sagt Schmid. Weiterbildung müsse da, als Teil des Gesamtsettings, dazugehören. Im Rahmen des neuen Lehrerdienstrechts soll auch darüber diskutiert werden – wie das neue Lehrerbild aussehen wird, bleibt aber abzuwarten.

Auf einen Blick

Fortbildung. Für Lehrer besteht eine Dienstverpflichtung zur Fortbildung. Bei Pflichtschullehrern sind das 15 Einheiten pro Jahr, bei Bundeslehrern ist das Ausmaß nicht definiert. Wann die Lehrer sich fortbilden, ist nicht vorgegeben. Sie können das im Sommer tun, an Wochenenden und Abenden während des Schuljahres oder während der Unterrichtszeit – sofern die Stunden suppliert werden können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2011)

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