Das Polytechnikum als Auslaufmodell

Sozialpartner wollen fuer polytechnische
Sozialpartner wollen fuer polytechnische(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Sozialpartner wollen Schulpflicht-Ende nicht nach neun Jahren, sondern erst wenn Schüler Deutsch, Englisch und Mathematik können.

Wien. Bei den Plätzen, die das heimische Bildungssystem in internationalen Vergleichen zuletzt erreicht hat, klingt das Ziel der Sozialpartner mehr als hoch gegriffen: Österreich soll im Bildungsbereich „Weltspitze“ werden. Auf die Koalition wollen sich Gewerkschaftsbund, Wirtschafts-, Arbeiter- und Landwirtschaftskammer dabei nicht verlassen: Sie haben daher gestern, Mittwoch, ihr eigenes Bildungspapier präsentiert – mit durchaus drastischen Vorschlägen.

Etwa was die Schulpflicht betrifft: Nachdem Unternehmer seit Jahren darüber klagen, dass viele Schulabgänger für den Start einer Lehre nicht einmal mehr die nötigen Grundkompetenzen mitbringen – Stichwort Lesen, Schreiben, Rechnen –, fordern die Sozialpartner nun, dass die Dauer der Schulpflicht an die tatsächlichen Kompetenzen geknüpft wird. Sie soll nicht wie bisher automatisch nach neun Schuljahren enden – egal, ob ein Schüler in dieser Zeit tatsächlich etwas gelernt hat (oder nicht).

Ausschlaggebend dafür, wie lange jemand die Schule besuchen muss, soll die Leistung sein. Erst wenn ein Schüler Mindeststandards in Deutsch, Mathematik und Englisch erreicht, ist auch seine Schulpflicht zu Ende. Konkret könnte das laut dem Papier der Sozialpartner folgendermaßen aussehen: Wer die festgelegten Ziele nach den üblichen neun Schuljahren nicht erreicht, soll bis zu zwei Jahre länger zur Schule gehen, um die entsprechenden Kompetenzen doch noch zu erwerben.

Überhaupt stellen die Sozialpartner einen ganzen Schultyp infrage: die polytechnischen Schulen. Sie fordern, die sogenannten „Polys“, seit Langem das Problemkind unter den heimischen Schulen, abzuschaffen. Diese müssen derzeit alle Schüler aufnehmen – auch wenn diese die Hauptschule nicht positiv absolviert haben – und gelten bisweilen als bloßer Lückenfüller zwischen der Hauptschule und dem Ende der Schulpflicht. Geht es nach den Sozialpartnern, sollen die Schüler, die ihr neuntes Schuljahr bisher an einer polytechnischen Schule absolvieren, künftig einfach ein fünftes Jahr in der Neuen Mittelschule bleiben. Dort solle eine verpflichtende Berufsorientierung auf dem Programm stehen, für die wiederum die bisherigen Lehrer der polytechnischen Schulen eingesetzt werden müssten.

Zweites Gratis-Kindergartenjahr

Auch beim Thema Kindergarten artikulieren die Sozialpartner ihre Vorstellungen klar: Es müsse ein zweites verpflichtendes Gratis-Kindergartenjahr geben. Dadurch würden die Kinder besser auf die Volksschule vorbereitet. Sprich: Im Kindergarten müsse sichergestellt werden, dass die Kinder „altersadäquate Sprach- und Sozialkompetenzen“ erwerben. Die Sozialpartner gehen damit noch einen Schritt weiter als die Regierung: Denn obwohl sich auch die Koalitionspartner prinzipiell für ein zweites Kindergartenjahr aussprechen, zögert die ÖVP. Die Volkspartei will ein zweites verpflichtendes Jahr nur für jene, „die es brauchen“. Gemeint sind vor allem Kinder, die schlecht Deutsch sprechen. Das hat auch finanzielle Gründe: Eine generelle Verpflichtung würde bedeuten, dass das zweite Jahr für alle gratis sein müsste. Und das ist teuer.

Weitere Vorschläge der Sozialpartner: Absolventen von berufsbildenden höheren Schulen (BHS) solle ihr Abschluss nicht nur an der Uni angerechnet werden, sondern unter Sicherstellung entsprechender Qualitätsstandards sogar als erster tertiärer Abschluss anerkannt werden. Außerdem müsse es künftig möglich sein, gleichzeitig ein Gymnasium und eine Lehre zu absolvieren. Bei der Gesamtschule wollte man sich hingegen nicht festlegen („Was auf dem Türschild steht, ist sekundär“).

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) zeigte sich für die Vorschläge der Sozialpartner offen. Das Papier sei eine „Diskussionsgrundlage“; es belege etwa den Bedarf nach einer Reform der neunten Schulstufe, die man bereits in Angriff genommen habe.

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