Ethik und Religion als ein gemeinsames Unterrichtsfach

Religionsunterricht ist ohnehin nicht mehr vom Ethikunterricht zu unterscheiden. Worum es gehen muss: die ethische Bildung aller Schüler.

Der Ethikunterricht kommt in die Jahre – er „lebt“ aber noch nicht in geregelten Verhältnissen. 1997 von engagierten Lehrkräften lanciert, bereits 2001 offiziell evaluiert – mit dem Ergebnis, ihn ins Regelschulwesen zu überführen, weil er sich bewährt hat und die ethische Kompetenz von Schülern erhöht – dümpelte er jahrelang dahin. Endlich, im Mai 2011, die parlamentarische Enquete und der einhellige Konsens: 14 Jahre Schulversuch sind genug!

Nun fordert Unterrichtsministerin Claudia Schmied Ethikunterricht für alle. Nur zu verständlich. Ethik betrifft alle, ethische Maximen müssen verallgemeinerbar sein. Und dass mehr Ethik vonnöten ist, merkten auch politische Parteien, die ethische Standards formulierten. Am konfessionellen Religionsunterricht will Schmied nichts ändern. Das ist verständlich angesichts der Tradition und Macht der Kirche, die sich dem Ethikunterricht lange widersetzte. Wenn Ethikunterricht, dann als zusätzliches Fach. Verständlich, dass Familien- und Schülerverbände Mehrbelastungen befürchten, von den Kosten ganz zu schweigen!

Der Obmann der Schülerunion, Daniel Perschy, hat recht: „Der momentane Religionsunterricht ist schon lange kein rein konfessioneller mehr.“ Auch der Salzburger Weihbischof Laun sieht dies so. Unsere Befragungen von Religionslehrern zeigten, dass diese primär auf die Mündigkeit ihrer Schützlinge abzielen und ethische Kompetenz und religionskundliches Wissen vermitteln. Nur 29 Prozent glauben, dass ihre Schüler die Lehre der katholischen Kirche kennenlernen, unter deren Image viele leiden. Dass Schüler Andersgläubige zu tolerieren lernen, unterstützen 91 Prozent stark.

Die naheliegende Konsequenz ist ebenso redlich, kostengünstig wie pädagogisch wünschenswert: Zumindest in der Oberstufe ein Fach „Ethik und Religionskunde“, verpflichtend für alle, idealerweise konzipiert vom Staat in ökumenischer Kooperation mit den Religionsgemeinschaften. Redlich wäre diese Lösung, weil faktischer Religionsunterricht in der Oberstufe von Ethikunterricht, wie empirisch untersucht, kaum mehr zu unterscheiden ist. Kostengünstiger, weil nur noch eine Lehrkraft zu remunerieren wäre. Wünschenswert: Weil in einem gemeinsamen Unterricht über Ethik und Religionen eher gewährleistet ist, dass Schülerinnen und Schüler gemeinsame ethische Maximen erarbeiten und zugleich ihre eigene religiöse Identität konstruieren können – in der dialogischen Begegnung mit anderen Traditionen.

Ein solches Fach erarbeiteten – in Kooperation von Staat und Religionsgemeinschaften – die katholischen Kantone der Innerschweiz. Warum sollte das in Österreich nicht auch möglich sein, einem der letzten EU-Länder, das den Ethikunterricht noch nicht bundesweit geregelt hat? Worum es an Schulen letztlich gehen muss: Um die ethische Bildung aller Schüler und weniger um die Interessen von Religionsgemeinschaften.

Zur Person

Anton Bucher (52) ist Professor für Religionspädagogik an der Uni Salzburg und habilitierter Erziehungswissenschafter. Einer seiner Arbeitsschwerpunkte ist die empirischer Erforschung von Religions- und Ethikunterricht.


E-Mails an: bildung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2012)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.