Längerer Unterricht ist Lehrern zumutbar

(c) Clemens Fabry
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Die Pädagogen sollten mehr Zeit mit den Schülern verbringen. Nicht zuletzt, um dem Minderleister-Image, das ihre Gewerkschaft aufgebaut hat, zu entkommen.

Maria Fekter hätte sich wahrlich leichtere Gegner suchen können. Aber nein: Im Bestreben, dem unlängst ausgebrochenen Sparwillen der Regierung Nachdruck zu verleihen, legt sich die Finanzministerin ausgerechnet mit den Lehrern an. Und das noch dazu mit einem Reformmodell, das (zumindest auf den ersten Blick) frappant an einen Vorstoß erinnert, der der Großen Koalition bereits vor zwei Jahren ein veritables PR-Desaster eingebracht hat: Fekter will die Lehrer künftig länger in die Klassenzimmer schicken und – schließlich will man ja sparen – nicht die gesamte Mehrarbeit finanziell abgelten. Die hysterische Empörung der Lehrergewerkschaft sollte ihr damit sicher sein.

Dass ein derartiger Vorstoß ins Auge gehen kann, weiß vor allem Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Sie war es, die 2009 ein Modell vorlegte, das die Lehrer zu zwei zusätzlichen Stunden Unterricht pro Woche verpflichten sollte. Natürlich ebenfalls unbezahlt. Die Lehrer setzten zum Proteststurm an – und das nicht zu Unrecht: Um als Betroffener ein Modell, das so kommuniziert wird, schlecht zu finden, muss man nicht Fritz Neugebauer heißen. ÖVP und SPÖ ließen die Ministerin denn auch im Regen stehen. Die Lehrergewerkschaft feierte einen Pyrrhussieg: Die „zwei Stunden“, auf die das Reformvorhaben in der medialen Debatte reduziert wurde, konnte man zwar verhindern. Das Bild der Lehrer als ewige Blockierer und Minderleister brannte sich – vielfach zu Unrecht – aber nur noch tiefer in die Köpfe vieler Österreicher ein.

Wie man es nicht macht, hätte Claudia Schmied also bereits ziemlich eindrucksvoll bewiesen. Der Unterschied, der Maria Fekters Vorstoß diskussionswürdig macht, liegt in den Details: Dass die neu eintretenden Junglehrer – und nur für sie würde die Regelung gelten – am Ende des Monats künftig mehr Gehalt auf dem Konto hätten, ist begrüßenswert. Schließlich werden zwei Drittel der Mehrarbeit ja bezahlt. Sind es doch unter anderem die niedrigen Einstiegsgehälter, die den Lehrerjob in Österreich für viele uninteressant machen. Dass Lehrer eine höhere Stundenanzahl pro Woche unterrichten, ist per se kein Problem, sondern jungen, engagierten Pädagogen zumutbar. Dass die vielen älteren Lehrer von der Stundenerhöhung ausgespart blieben, mag ein Schönheitsfehler sein. Es erhöht aber zumindest die Chance, dass die Reform – an alteingesessenen Besitzstandswahrern vorbei – tatsächlich umgesetzt wird. Und die jahrelangen Scheinverhandlungen rund um ein neues Dienst- und Besoldungsrecht für alle Lehrer vielleicht doch irgendwann zu einem Ende finden.

Dass die jungen Lehrer ihre Mehrarbeit nicht zur Gänze abgegolten bekämen, ist hingegen eine andere Sache. Fekter verschleiert dieses Vorhaben besser, als Schmied es tat. Das zeugt zwar von größerem taktischen Geschick. Mehr aber auch schon nicht. Ausschließlich bei den Jungen zu sparen, kann nicht der Sinn der Dienstrechtsreform sein. Wenn Fekter, wie sie sagt, „weg von den exorbitanten Lehrergehältern“ will, muss sie die Gehaltskurve weiter abflachen: Und zwar, indem sie bei jungen Lehrern den Stundenlohn erhöht. Und die (tatsächlich exorbitanten) Gehaltssteigerungen abschafft.

Noch etwas darf nicht vergessen werden: Zusätzliche Unterrichtsstunden stehen nicht für sich allein, sondern ziehen für Berufseinsteiger eine weit darüber hinausgehende Erhöhung der Arbeitszeit nach sich. Für ihr Argument, jede Unterrichtseinheit „vor- und nachbereiten“ zu müssen, werden die Lehrer zwar gern belächelt. Wahr ist es dennoch.

Wenn die Regierung also will, dass junge Lehrer mehr Zeit in der Schule verbringen, muss sie endlich auch für bessere Arbeitsbedingungen sorgen – vor allem, wenn sie sich zeitgleich des Ausbaus ganztägiger Schulformen rühmt. Dass die Pädagogen vernünftige Arbeitsplätze erhalten und die Konferenzzimmer mehr als nur eine Lagerstätte für Schularbeitshefte sein müssen, ist nur der Anfang. Auch von unnötigen administrativen Tätigkeiten müssen die Lehrer entbunden werden. Damit sie sich wieder auf das konzentrieren können, wofür sie eigentlich bezahlt werden: auf das Unterrichten. Und dann gern auch ein paar Stunden länger. Mehr Arbeit für Junglehrer, S. 1

E-Mails an: christoph.schwarz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2011)

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