Volksbefragung: Lehrer gespalten

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Die Forderung des BMHS-Vorsitzenden, Jürgen Rainer, das Volk über die Gesamtschule abstimmen zu lassen, stößt bei den Kollegen auf breite Ablehnung.

Wien. Die Forderung nach einer Volksbefragung über die Einführung der Gesamtschule entzweit die Lehrergewerkschaft. Nachdem sich Jürgen Rainer als Vorsitzender der Gewerkschaft an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) im „Presse“-Interview für eine Befragung des Volkes über die Zukunft des heimischen Schulsystems ausgesprochen hat, kontern nun seine Kollegen. Sowohl der Chef der Pflichtschullehrergewerkschaft, Paul Kimberger, als auch AHS-Gewerkschaftschef Eckehard Quin halten eine solche Volksbefragung für überflüssig.

Es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um über die Einführung der Gesamtschule und eine etwaige Volksbefragung in diesem Zusammenhang zu sprechen, sagt Quin im Gespräch mit der „Presse“. Das Schulsystem befinde sich derzeit ohnehin im Wandel. Immerhin habe die Regierung mit der Umwandlung aller Hauptschulen zu Neuen Mittelschulen (NMS) ein Großprojekt in Auftrag gegeben. Dieses müsse erst einmal umgesetzt werden, bevor man über andere Reformen nachdenke. Auch Kimberger, derzeit Vorsitzender der Arge Lehrer in der Beamtengewerkschaft, widerspricht Rainer vehement: Bei dem Vorschlag einer Volksbefragung zur Gesamtschule könne es sich lediglich um „die Privatmeinung des Herrn Rainer“ handeln. Ein derartiger Volksentscheid „wurde noch in keinem Gremium zum Thema gemacht“, so Kimberger.

Und dennoch: Auch unter den Lehrern an Pflichtschulen könnten sich viele eine Gesamtschule gut vorstellen, sagt Kimberger. Denn mit der Volksschule für die Sechs- bis Zehnjährigen gebe es diese ohnehin schon. Allerdings ortet er große Unterschiede zwischen ländlichen Bereichen und der Stadt. Auch er selbst sei prinzipiell kein Gegner der Gesamtschule. Damit schätzt Kimberger die Stimmung innerhalb der Lehrerschaft ähnlich wie sein Kollege Rainer ein. Der vermutet unter der BMHS-Lehrerschaft viele Befürworter einer Gesamtschule.

Dass die Gewerkschaftsvertreter in dieser Frage einen gemeinsamen Weg finden, ist dennoch unwahrscheinlich. Immerhin würde die Schaffung einer Gesamtschule de facto das Aus für die AHS-Unterstufe bedeuten. Denn Ziel einer Gesamtschule ist, alle Zehn- bis 14–Jährigen in einer gemeinsamen Schulform zu unterrichten. Angst habe er als AHS-Gewerkschafter vor einer Volksbefragung dennoch nicht, sagt Quin: „Ich bin der festen Überzeugung, dass die Gesamtschule keine Mehrheit in der Bevölkerung hat.“

Auch beim Dienstrecht Ungereimtheiten

Auch mit seinen Äußerungen zu den Verhandlungen zum neuen Lehrerdienstrecht stößt Rainer auf interne Kritik. Während er behauptete, dass es für die Gewerkschaft keinen Zeitdruck gebe und ein Abschluss in dieser Legislaturperiode nicht zwingend sei, sieht Quin das anders. „Mir ist es lieber, wenn wir ein neues, attraktives Dienstrecht noch in dieser Periode abschließen“, so der Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft. Wobei er gesteht, dass die Zeit drängt: „Das Fenster ist nicht mehr lange offen.“

Auf einen Blick

Eine Volksbefragung zur Gesamtschule hatte zuletzt auch schon der Wiener Bürgermeister, Michael Häupl (SPÖ), ins Spiel gebracht. Diese Idee wurde allerdings weder von Unterrichtsministerin Claudia Schmied noch von Kanzler Werner Faymann (beide SPÖ) goutiert. Auch die ÖVP lehnte dies ab. BMHS-Gewerkschaftschef Jürgen Rainer brachte den Vorschlag dennoch wieder aufs Tapet. Aus Sicht der BMHS wäre die Gesamtschule sinnvoll.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2013)

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