Was der perfekte Lehrer können muss

perfekte Lehrer koennen muss
perfekte Lehrer koennen muss(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die größte Bildungsstudie der Welt zeigt: Der Lehrer ist für den Bildungserfolg entscheidend. Damit trifft Experte John Hattie einen Nerv. In Österreich wird an einer neuen Lehrerbildung gefeilt.

Sie stehen ständig im Rampenlicht – und zwar nicht nur im Klassenzimmer. Nein, Lehrer stehen zunehmend auch im Mittelpunkt medialer Berichterstattung, öffentlicher Diskussionen und politischer Entscheidungen. Allein das sollte Indiz dafür sein, dass es sich beim Lehrberuf um einen überaus wichtigen Job handelt. In der Vergangenheit schien dies aber immer öfter in Vergessenheit zu geraten.

Nun kommt neuer Schwung in die Debatte. Dafür sorgt unter anderem die aufsehenerregende Bildungsstudie des neuseeländischen Erziehungswissenschaftlers John Hattie. Rund 800 Metastudien, die auf über 50.000 einzelnen Studien mit 250 Millionen Schülern basieren, wurden für die größte bislang da gewesene Bildungsstudie ausgewertet. Diese kommt zu einem simplen Schluss. Vereinfacht gesagt: Im Zentrum steht der Lehrer. Mit ihm und seiner Arbeit kommt und geht der Lernerfolg der Schüler.

Auch der politische Diskurs rund um die neue Lehrerbildung unterstreicht die Relevanz der Lehrperson an sich und deren Ausbildung. Lange wurde debattiert, wie wichtig die fachliche und wie essenziell die pädagogische Ausbildung ist. Vor Kurzem ist die Begutachtungsfrist für die entsprechenden Gesetzesentwürfe ausgelaufen. Die Kritikpunkte waren zahlreich. Nun wird man sehen, ob diese gehört werden und ob damit auch die Qualität der Ausbildung steigt.

Streit um Schulpsychologen

Doch nicht nur in puncto Ausbildung stehen die Lehrer derzeit im Mittelpunkt politischer Diskussionen. Auch die Auseinandersetzung um ein neues Gehalts- und Dienstrecht für künftige Lehrer verschärft sich. Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) schmetterte die Forderungen der Lehrer nach zusätzlichem Unterstützungspersonal zurück. Diese wollten 13.000 zusätzliche Mitarbeiter, die in der Verwaltung und als Psychologen eingesetzt werden sollten.

Die Zahl sei „illusorisch“. „Die können sie vergessen“, sagt die Ministerin einen Tag vor einem Treffen der Regierung mit Lehrergewerkschaftern heute, Mittwoch. Zugleich machte sie deutlich, dass sich die Zahl der Unterstützungskräfte danach richten werde, wie viele Stunden neu eintretende Pädagogen künftig im Unterricht verbringen werden.

Die bislang letzte Verhandlungsrunde hat die Ministerin kurzfristig beendet. Sie war über die Teilnahme von 15 Gewerkschaftern erbost. Nun bezeichnete sie die AHS-Lehrergewerkschafter offen als „Hauptbremser“. Denn, so Heinisch-Hosek: „Die Pflichtschullehrer müssten Halleluja schreien, so gut ist das Angebot.“ Sie hofft noch auf eine Lösung bis zum Sommer.

„Die Presse“ hat sich inzwischen angesehen, welche Herausforderungen auf die Lehrer warten – und welche Eigenschaften ein guter Pädagoge mitbringen sollte.

Am 15.ai wird bei einer Veranstaltung der „Presse“, der Initiative BildungGrenzenlos und der Uni Wien über die Hattie-Studie diskutiert. Ort: Währingerstraße 29, 1090 Wien, Hörsaal 1. Uhrzeit: 19 Uhr.

Fachwissen und große Begeisterung

Eines ist unumstritten: Lehrer müssen fachlich äußerst kompetent sein. Das ist nun auch in der Politik angekommen. Alle Lehrertypen – Volks-, Hauptschul- und AHS-Lehrer – sollen durch die neue Lehrerbildung ihr Studium mit dem Master abschließen. Nur wer selbst vom Lernstoff begeistert ist, kann Schüler dafür interessieren. Dass Lehrer Fächer unterrichten, die sie nicht studiert haben, ist nicht tragbar. Das stellt die Hauptschulen vor eine Herausforderung. Dort ist das bislang gang und gäbe.

Bauchgefühl und Empathie

Dass die Lehrergewerkschaft für mehr Schulpsychologen kämpft, spricht für sich. Denn derzeit sind es meist die Pädagogen selbst, die sich mit den persönlichen Problemen der Kinder beschäftigen müssen. Ihre Klage: Immer öfter müssen sie für die Versäumnisse des Elternhauses geradestehen. Unumstritten ist, dass ein guter Pädagoge ein Ohr für die Anliegen der Schüler haben sollte. Er soll empathisch sein und ein gutes Bauchgefühl haben. In erster Linie sollte er sich dennoch auf seinen Job als Lehrer konzentrieren können.

Schülerleistungen beobachten

Individualisierung ist das Modewort in der Bildungspolitik. Hinter dem Wort steckt – zumindest auf den ersten Blick – ein einfacher Wunsch: Lehrer sollten jeden einzelnen Schüler beobachten. Sie sollten erkennen, wo der Einzelne steht und wo er Fehler macht. Gleichzeitig heißt das, dass ein und derselbe Lehrer seinen Unterricht an 25 Personen anpassen soll. Eine schwierige Aufgabe. Hier zeigt sich, dass nicht nur die fachliche Ausbildung, sondern auch die pädagogische Qualifikation wichtig ist.

Kritik einstecken

Kritikfähigkeit ist laut dem Bildungforscher John Hattie eine der wichtigsten Eigenschaften, die ein Lehrer mitbringen soll. Pädagogen, die das Feedback von Schülern ernst nehmen, können so nicht nur die eigene pädagogische Leistung verbessern. Sie wirken mit dieser Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Schüler auch positiv auf deren Lernfortschritt ein. Hattie erklärt das zu einem der bedeutendsten Faktoren.

Sitzfleisch

Pädagogen brauchen Ausdauer. Und zwar vor allem dann, wenn es um politische Reformen geht. Vier Jahre hat es gedauert, bis der Gesetzesentwurf zur neuen Lehrerbildung im April in Begutachtung geschickt wurde. Auf ein neues Dienstrecht warten die Lehrer bereits seit 2008. Dass dieses noch vor den Wahlen im Herbst beschlossen wird, wird immer unwahrscheinlicher.

Standhaft sein

Der Druck durch die Eltern steigt. Sie versuchen, die Lehrer dazu zu bringen, ihren Kindern bessere Noten zu geben. Häufig wollen sie ihrem Kind dadurch einen Platz im Gymnasium sichern. In Wien stiegen diesbezügliche Beschwerden der Lehrer so stark an, dass sich die Stadtschulratspräsidentin sogar mit einem Brief an die Pädagogen wandte. Sie ermutigte die Lehrer, standhaft zu sein. Sie habe Vertrauen in deren pädagogische Expertise.

Eine gute Stimme

Heiserkeit gilt als Lehrerkrankheit Nummer eins. Eine gute Stimme ist Voraussetzung. Es gilt, nicht nur den Lehrstoff in den Unterrichtsstunden zu vermitteln, sondern auch den zumeist hohen Lärmpegel in den Klassen zu übertönen. Dementsprechend ist es wenig überraschend, dass stimmstörungsbedingte Fehltage von Lehrern hohe Kosten verursachen. Allein in den USA sind es jährlich 2,5 Milliarden Dollar.

Mit den Augen der Schüler sehen

Lehrer sind keine Wissenschaftler. Im Unterschied zu diesen erwartet John Hattie von Lehrern, dass sie den Unterricht mit den Augen der Schüler sehen. Sie müssen sich in die Schüler hineinversetzen. Sie sollten wissen, warum es diesen schwerfällt, Dinge zu verstehen.

Antworten aus dem Ärmel schütteln

Pädagogen sind in vielen Fällen die ersten Ansprechpersonen für die Schüler. Was in der Welt passiert, wird in der Klasse besprochen. Lehrer sollten Antworten auf Fragen zu Umweltkatastrophen, Terroranschlägen und politischen Ereignissen haben. Sie müssen belesen sein. Mit den neuen Medien – Stichwort Facebook – ist eine besondere Herausforderung hinzugekommen.

Balance halten

Das Image ist angekratzt. Einst genossen Lehrer ein ähnliches Ansehen wie Ärzte, heute eilt ihnen der Ruf als faule Neun-Wochen-Sommerurlauber voraus. Das Lehrer-Bashing wirkt sich gleich mehrfach negativ aus. Erstens: Für gute Schulabsolventen ist der Lehrberuf mittlerweile wenig attraktiv geworden. Zweitens: Die öffentliche Geringschätzung ist für die Pädagogen zusehends demotivierend. Drittens: Der Fehlende Rückhalt durch die Eltern erschwert das Arbeiten in der Klasse selbst. Das angekratzte Image erfordert einen Balanceakt der Lehrer: Einerseits sollten sie die öffentliche Meinung nicht zu ernst nehmen, andererseits aber kritikfähig sein.

Kleine Schritte

Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verlangt vor allem eines: Geduld. Denn die Schüler bestimmen das Lerntempo. Verstehen sie den Stoff nicht, liegt es an den Lehrern, Dinge anders und besser zu erklären.

Was der perfekte Lehrer können muss
Was der perfekte Lehrer können muss

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.05.2013)

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